Saras Geburt
aus meinem Tagebuch...
Sonntag, 15.12.2002, 3. Advent, 7:23 Uhr
Ich glaube, um diese Zeit war ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr wach! Aber jetzt bin ich es. Ich habe seit 6:02 Uhr Wehen. So in etwa in 5 Minuten-Abständen. Hatte mir das alles ja exakter vorgestellt, nicht nur so ungefähr. Aber alles bei mir ist ja eigentlich nur so ungefähr. Wieso dann nicht auch die Wehen!?
Na ja.
Jedenfalls hab ich im Augenblick Rückenwehen. Wie die "Tage" eigentlich und auch nicht viel schmerzhafter. Darum überleg ich ja auch, ob ich Jens überhaupt schon wecken soll. Ich hab ja gelesen, daß die Eröffnungsphase 6-9 Stunden dauern soll. Und jetzt sind es gerade mal 1,5 Stunden. Da haben wir wohl noch Zeit. Außerdem ist es wirklich nicht so schlimm, nur einschlafen kann ich nicht mehr.
Tja, wann sollen wir denn wohl spätestens ins Krankenhaus? Keine Ahnung ...
Vielleicht sind es ja doch bloß Übungswehen, die einfach wieder aufhören. Schließlich ist es ja noch eine Woche bis zum Entbindungstermin.
Ich überlege, ob ich 'was essen soll. Schließlich, falls es keine Übungswehen sind, sondern echte, kann ich doch nicht den ganzen Tag ohne Essen verbringen, oder???
Hab das Gefühl, die Abstände werden eher l ä n g e r als kürzer. Also, hm. Gleich reicht's mir. Dann dreh ich mich einfach um und schlaf doch noch 'ne Runde und guck' gar nicht mehr auf die Uhr. So. Mir doch egal. Ich werd' die Geburt schon nicht verpassen und die Wehen sollen mal eindeutig sein und nicht so 'n Kuddelmuddel. So mach das doch keinen Spaß!!! So kann man ja überhaupt nicht planen!! Außerdem zieht der Schmerz inzwischen auch ziemlich in die Oberschenkel und die Wehen werden stärker, wenn die Abstände auch länger werden. Was das wohl noch wird??
Unregelmäßige Wehen
Am Sonntag, den 15.12.2002 sind wir dann abends gegen 19 Uhr doch ins Krankenhaus gefahren, weil die Wehen schon ziemlich stark geworden waren. Allerdings waren die Abstände sehr unregelmäßig (zwischen 5 und 25 Minuten).
Wir wurden sehr lieb empfangen und zuerst wurde ein CTG geschrieben, das die Wehen und Herztöne des Kindes in Kurven malte. Natürlich hatte ich plötzlich kaum noch Wehen (Vorführeffekt). Bei der anschließenden Untersuchung wurde festgestellt, daß der Muttermund auch erst 3-4 cm geöffnet war (weit entfernt von den erwünschten 10!!!).
Spazieren gehen
Die Hebamme schickte uns 1-2 Stunden spazieren - das sollte den Muttermund weicher machen. Wir gingen auf den Weihnachtsmarkt und weil es mir zum Teil richtig gut ging, teilten wir uns einen Amaretto-Kakao, denn Alkohol soll ja wehenfördernd sein. Nach einer weiteren Untersuchung im Krankenhaus und einem CTG mit unverändertem Ergebnis ("Die Wehen sind noch nicht regelmäßig genug.") wurden wir vorerst nach Hause geschickt, obwohl uns gesagt wurde, daß wir bestimmt in der Nacht wiederkommen würden. Immerhin wurden meine Wehen nicht angezweifelt!
Zu Hause hatte ich zum Teil wirklich starke Wehen, aber vielleicht in 20 Minuten eine. Viel zu wenig also. Kein Grund zur Aufregung.
es geht nicht richtig los
Kurz vor Zwei Uhr nachts standen wir dann aber wieder vor dem Kreißsaal. Mit echten, schönen Wehen. Erneut wurde ein CTG geschrieben. Es waren sogar ein paar Wehenhügel zu sehen - wir freuten uns über jeden, weil wir unser Baby endlich sehen wollten! Außerdem sollte langsam was passieren. Die Schmerzen sollten endlich einmal sinnvoll sein! Jens mußte mir immer den Rücken drücken. Es half zwar nicht wirklich, aber ich fühlte mich nicht so allein und er hatte was zu tun. Aber die Untersuchung danach erwies, daß es wohl noch länger dauern würde. Der Muttermund war weiterhin bei 3-4 cm. Nach Hause wurden wir aber nicht mehr geschickt. Wir gingen noch ein bißchen spazieren, darauf folgte wieder eine Untersuchung (Ergebnis: unverändert) und dann bekam ich ein Schmerzmittel und sollte ein paar Stunden schlafen. Ich bekam ein Zimmer neben den Kreißsälen (Nachgeburtszimmer) und mein Mann durfte in der Nacht bei mir bleiben. Das Schmerzmittel sorgte dafür, daß die Wehen für 20 Minuten etwas entschärft wurden. Und ich war auch müde genug, um fast 5 Stunden mehr oder weniger gut so halbwegs zu schlafen. Eigentlich hatte ich ja kein Schmerzmittel gewollt, weil ich ja so eine Art Verfechter der "natürlichen Geburt" bin, aber ich sollte wenigstens ein paar Stunden schlafen, um fit zu sein, wenn es dann wirklich losgeht.
Am nächsten Morgen (16.12.) gegen 8 Uhr etwa bekam ich ein Frühstück und es wurde wieder ein CTG geschrieben und eine Untersuchung gemacht. Für die Zeit, in der das CTG geschrieben wurde, waren meine Wehen so gut wie weg. Langsam fühlte ich mich echt ein bißchen verarscht. "Das wir heute bestimmt noch nichts", prophezeite uns die Hebamme. Gut, dann nicht. Ich hab ja Zeit. Ich kann ja warten.
Wir verließen also das Krankenhaus und fuhren nach Hause und in die Stadt und ich hatte meine Wehen wieder. Aber ehrlich gesagt hatte ich absolut keine Lust mehr, wieder ins Krankenhaus und ans CTG zu kommen und mich damit zu blamieren, dort dann plötzlich keine Wehen mehr zu haben! Nee. Wir machten uns einen kuscheligen Tag und in den Wehen drückte Jens mir den Rücken. Alle 8 Minuten. Dann alle 5. Aber ich hatte einfach keine Lust mehr, ins Krankenhaus zu fahren. Sollte das Kind doch zu Hause kommen! Draußen war total mieses Wetter. Es regnete und der Matsch des schmelzenden Schnees verführte nicht gerade zu einem tollen Winterspaziergang.
Gegen 19 Uhr kochte sich Jens ein Abendessen. Wir wollten essen und dann schlafen gehen (mal versuchen, ob es auch ohne Schmerzmittel geht) und frühstens am nächsten Tag um 10 Uhr wieder im Krankenhaus antanzen. Das Essen roch gut, aber ich konnte nichts essen. Ich hatte richtig starke, appetitverderbende Schmerzen und schlecht war mir auch.
Und dann fuhren wir doch wieder ins Krankenhaus. Aber nicht mir dem Taxi, sondern mit der Bahn. So richtig glaubte ich eh nicht daran, dass sich an meinem Muttermund bisher viel getan hätte.
noch mehr spazieren
Im Krankenhaus waren wir schon vermißt worden. Der Muttermund war tatsächlich schon etwas weiter geöffnet, aber die Wehen waren (laut CTG-Kurve) zu schwach. Na toll! Also, mir taten sie weh! Okay, wir ahnten es ja - wir sollten wieder spazieren gehen. Also unternahmen wir einen Stadtspaziergang. Ein zweites Abendessen für Jens gab es dann bei Burger King (was ich unerträglich fand, weil ich den Geruch kaum ertragen konnte). Ich hatte so dermaßen Schmerzen, daß ich versuchte, nicht allzu auffällig auf meinem Stuhl herumzurutschen. Jens mußte sein Essen hinunterschlingen, weil ich so drängelte, aber ich konnte einfach nicht mehr sitzen!
Der Rückweg zum Krankenhaus, den wir wieder liefen, weil ich darauf bestand, war nicht besonders angenehm. Eigentlich bestand er daraus, ein paar Schritte zu gehen, stehenzubleiben, die Wehe veratmen und so weiter. Wir brauchten ewig bis zum Krankenhaus! Endlich gab es auf dem CTG mal richtige Wehenberge - aber leider weiterhin zu unregelmäßig (ach ja!?). Alle 2-4 Minuten war also noch immer nicht genug! Also doch keine Nacht ohne Schmerzmittel. Ich hatte mich müdegelaufen, aber das Mittel wollte diesmal nicht so recht wirken. Jens kuschelte sich noch ein bißchen zu mir im Bett - er durfte wieder die ganze Nacht dabeibleiben.
Saras Geburts-Tag
Die Nacht verbrachte ich mehr dösend als schlafend. Aber wir zeigten uns doch erst wieder um 9 Uhr am 17.12.2002 auf den Krankenhausgängen. Noch vor dem Frühstück mußte ich ans CTG. Schön. Aber ruhig erstmal essen und noch ein bißchen spazieren (ich konnte es nicht mehr hören!). Ein wenig aß ich sogar und danach verkrümelten wir uns ins Krankenhauscafé. Meine Schmerzen waren größtenteils zu heftig. Ich wollte und konnte nicht mehr spazieren gehen! Meine Beine zitterten.
Jens brachte mich also wieder auf die Station. Wieder CTG - himmlische Wehenberge - wundervolle Babyherztöne! Danach eine Muttermunduntersuchung: "Ich weiß es zwar nicht sicher, aber ich wette, heute noch werden sie Ihr Kind in den Armen halten können." - "Echt?" - "Es sieht ganz danach aus!" *freu* *aua*
Danach nahm ich eine Entspannungsbad. Es war inzwischen 12:20 Uhr. Das Badewasser roch angenehm und hatte die perfekte Temperatur. Entspannend! Ich sollte bis zu 45 Minuten drin bleiben, wenn es mir angenehm wäre. Es war einfach nur toll! Jedenfalls so ungefähr 25 Minuten. Dann wollte ich raus. Mein Kreislauf war etwas angeschlagen und zwei Schwestern/Hebammen und Jens halfen mir aus dem Wasser. Mir war schwindelig. In Slip und T-Shirt lag ich dann wieder am CTG - und hielt es fast nicht aus! Konnte nicht mehr liegen, nicht mehr sitzen. Noch eine Untersuchung - und jetzt weiß ich, dass "Muttermundmassage" keineswegs was mit entspannter Massage zu tun hat!
Die Hebammen und Ärzte beschlossen, meine Wehen am Tropf regelmäßig zu machen und die Fruchtblase zu "sprengen", um die Geburt einzuleiten. Ich kam also in den Kreißsaal. Die werdende Ärztin legte mir eine Braunüle und die Ärztin machte sich bereit, meine Fruchtblase zu "sprengen", aber da merkte ich schon, wie es zwischen meinen Beinen ziemlich nass wurde - sie war schon von selbst "geplatzt". Meine Wehen kamen aber mit richtiger Wucht - unaufhörlich. Ich hatte nur noch pausenlos Schmerzen und das CTG malte Berge wie nie zuvor! DAS hatte ich mir also 9 Monate lang gewünscht???? Hm. Ich wollte wirklich nicht mehr. Eigentlich wollte ich nur noch nach Hause. Schluß. Wir machen morgen weiter. Ein unerträglicher Schmerz, gegen den man ÜBERHAUPT NICHTS machen kann, den man nur über sich ergehen lassen kann, gegen den einfach NICHTS hilft...! Unvorstellbar! Ich bekam dann wieder das Schmerzmittel, das ich auch schon in den Nächten davor bekommen hatte, also eines, das die Wehenspitzen ein bißchen erträglicher macht. Das half aber jetzt wirklich gar nicht mehr!
Insgesamt dauerte die Geburt dann aber nur noch eine 3/4 Stunde. Das reichte mir auch völlig! Jens mußte mir ständig den Rücken drücken, weil ich ja ausschließlich Rückenwehen hatte. Und ich glaub, ohne ihn hätte ich das gar nicht ausgehalten. Er hat mir auch ständig mit einem nassen Lappen die Stirn befeuchtet.
Die Hebammen und Ärzte gingen dann in das Dienstzimmer und ließen uns zurück. "Meine" Hebamme kam zwar immer wieder mal kurz vorbei, aber im Großen und Ganzen wurden wir allein gelassen. Das fand ich auch gut. Ich glaube, es hätte mich sehr genervt, wenn alle um mich herumgestanden hätten.
Schließlich spürte ich in einer Hammerwehe so einen Druck in mir und wußte sofort, daß ich Preßwehen hatte. Interessant. Endlich Wehen mit Sinn!! Jens holte dann die Hebamme, die guckte noch einmal nach und fand alles prima und dann durfte ich pressen. Hebamme und Ärztin kamen also ins Zimmer und die Hebamme legte ganz viele Einmaldecken unter mich. Jetzt ging es wirklich los!
Die Hebamme war sehr nett und als der Kopf dann schon fast durch war, sollte ich ihn mal anfassen. Komisches Gefühl. Dann hatte ich eigentlich nur noch Schmerzen (aber richtige!!) und dann war sie da. Der Kopf fühlte sich so unglaublich hart und groß an! Und ich hatte so Angst davor, zu reißen bzw. geschnitten zu werden. Die Hebamme sagt mir allerdings genau, wie ich pressen sollte. Alles ging gut.
Für die Nachgeburt mußten sie mir noch eine extra Wehe setzen, denn ich hatte keine mehr. Da haben wir dann erstmal diskutiert, denn ich wollte absolut keine mehr!!! Daher kam es vielleicht, dass ich die Nachgeburt so spürte. Und sie ist gefühlt etwa so schwer wie nochmal so ein kleiner Körper, allerdings ohne Kopf.
Und dann lag die kleine Maus auf meinem Bauch und fand sofort die Brust und fing an zu saugen. Und wirklich blutig war sie auch gar nicht. Richtig rosig. Und so unglaublich süß! Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber so eine süße, kleine Sara bestimmt nicht! Als sie gerade draußen war und kurz bevor die Hebamme sie mir gab, sagte sie: "Das ist aber ne Süße!" Darunter konnte ich mir erstmal gar nichts vorstellen ehrlich gesagt. Jens trennte die Nabelschnur durch und dann waren wir schon beide ganz verliebt in das kleine Geschöpf. Und mir ging es total gut! Keine Schmerzen mehr, nicht mehr müde, nicht mehr schwerfällig! Ich glaub, so gut und gesund hab ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt!! Ich hätte sofort aufstehen können!! Aber es war doch auch ganz schön, noch ein bißchen mit Sara zu schmusen, die an meiner Brust nuckelnd eingeschlafen war.
nur fast ambulant
Weil ich unter der Geburt Fieber bekommen hatte, sollte ich 24 Stunden zur Überwachung da bleiben. Das wollte ich aber nicht. Als der Minimensch draußen war, da ging es mir schlagartig total gut! Besser, als überhaupt jemals in der Schwangerschaft. Ich war auch gar nicht müde oder erschöpft. Wir einigten uns auf eine Nacht. Ich wurde dann auf die Wochenstation gefahren. Erstmal bekam ich 3 Riesenwindeln in die Hose gesteckt, wegen der Nachblutungen, die allerdings am nächsten Morgen schon fast vorbei waren. Ich bekam ein 2er-Zimmer und Sara bekam ihr eigenes Bettchen.
Später wollten sie das Baby rausschieben, damit ich mich von der Geburt erholen kann, aber ich war erstens gar nicht müde und konnte mich zweitens gar nicht an der Kleinen sattsehen. Sie versuchte unermüdlich, ihre Händchen in den Mund zu stecken. Richtig schlafen konnte ich ohne mein Baby ja gar nicht.
Nach dem Frühstück holte Jens uns ab und alle waren so erstaunt, daß wir schon gehen wollten, aber es ging mir doch soooooo gut! Außerdem hat man kurz vor Weihnachten ja gar keine Zeit, im Krankenhaus herumzuliegen, oder!? Gleich am Nachmittag sind wir dann losgezogen, um noch die letzten Weihnachtsgeschenke einzukaufen. Das hätten wir noch gar nicht gesollt. Ich sollte mich immer nur entspannen und erholen (war leider nicht möglich, weil ich endlich sogar mal Lust hatte in der Wohnung Ordnung zu schaffen) und Sara sollte noch nicht an die kalte Luft. Na, wir haben es überlebt.